Zum Bierverteiler...
 
Die Kirchen von außen, die Berge von unten und die Wirtshäuser von innen ist ein Motto, gegen das man nie verstoßen sollte. Vor allem sollte man sich als normaler Stadtbewohner wegen einer interessanten Wanderung nicht an einen Menschen wenden der von klein auf jede Woche in die Berge fährt, da dieser unter einer gemütlichen Wanderung etwas anderes versteht.
Ich weiß nicht was mich diesen Sommer geritten hatte aber ich wollte einmal eine Woche lang gemütlich von Hütte zu Hütte bzw. von Wirtshaus zu Wirtshaus wandern. Der erste Tag war von den ersten Blasen an meinen Füßen abgesehen in etwa das was ich mir so vorgestellt hatte. Auf eine Entfernung von zwanzig Kilometern gab es auf dem Weg von Scharnitz zum Karwendelhaus genau auf der Hälfte des Weges die Larchetalm Hütte, in der man günstig und gut eine Speckknödelsuppe essen, und seinen Durst mit einem wohlverdientem Weißbier löschen konnte. Frisch gestärkt ging es dann auf dem gut ausgebauten Schotterweg weiter richtung Karwendelhaus, das direkt unterhalb eines Bergmassivs gelegen ist. Bei den Preisen die der Deutsche Alpenverein dort verlangt bekommt man bereits den ersten Schock. Da werden einem für einen einfachen Schweinebraten ohne Salat umgerechnet 21 DM abgenommen. Das billigte Essen, ein sogenanntes Bergsteigeressen (teilweise eine Wurst mit Linsen oder manchmal auch nur Kartoffeln mit Sauerkraut - lecker...), das nur den Alpenvereinsmitgliedern vorbehalten bleibt schlägt mit ca. 14 DM auf bzw. aus dem Geldbeutel. 
Blick auf das Tal unterhalb des Karwendelhauses
Das Karwendelgebirge Das wäre ja ganz ok, wenn sie jede Sau bis zur Hütte tragen müssten aber nicht wenn ein gut ausgebauter Schotterweg direkt bis vor die Türe führt. Für den Hüttenaufentalt muss ein Nicht-Vereinsmitglied wie ich dann das 2 1/2 - fache eines Mitglieds zahlen obwohl ich das Zimmer mit einem Mitglied, meiner Freundin teile.
Bereits am ersten Abend hörten wir Horrornachrichten, die sich eher nach einer Bergtour mit Reinhold Messner als nach einem gemütlichen Spatziergang anhörten. Ein Paar, das von der Hallerangeralm, zu der wir aufbrechen wollten kam verlief sich aufgrund des schlechten Wetters und der schlechten Ausschilderung und ging nicht über die einache Bergkuppe, die Birkkarspitze sondern landete unverhofft auf der Ödkarspitze, die als (Kletter)wanderweg für geübte ausgewiesen ist. Die Frau machte sich vor Angst in die Hosen, obwohl sie mit einem erfahrenem Bergwanderer unterwegs war. Der goldene Absch(l)uß war eine weniger romantische Biwakübernachtung am Rande des Abgrunds und vermutlich auch am Rande des Nervenzusammenbruchs.
Da wir von den beiden hörten, dass der Berg von unserer Seite besser ausgeschildert ist und wir eine leitere Strecke gehen würden, machten wir uns keine weiteren Gedanken. Auch lasen wir, dass die beiden den Weg für geübte gingen - wir wollten ja nur den gemütlichen Wanderweg gehen. 
Das einzige was mich etwas stutzig machte war, dass einer der Beiden wollte, dass wir über unsere Wanderung berichten und dass alle Anderen mit denen wir sprachen sagten man solle den Berg nur bei schönem Wetter überqueren, da es sonst "keinen Spaß" mache.
Das Schlauchkar - da war die Welt noch in Ordnung
Endlich eine Rast...(Stempeljoch) Am übernächsten Tag war es dann soweit. Das Wetter klarte auf und wir freuten uns schon auf unseren Spaziergang. Nachdem wir jeweils unsere zehn Kilo Gepäck geladen hatten gingen wir frohen Mutes los. Es wunderte mich anfangs nur, dass man zwischen dem Geröllawienenschutz der Hütte auf einem schmalen und steilen Pfad losgehen mußte. Da jedoch man sich jedoch zur Not an Stahlseilen festhalten konnte dachte ich mir noch nichts bei dem Weg. Bereits am Anfang unseres Weges sahen wir die roten Markierungen und freuten uns, dass dieser Weg so schön ausgeschildert war. Das erste Stück unserer Wanderung bot einen phantastischen Ausblick auf die Berge im Karwendel. Wir verspürten keine Höhenangst, da unterhalb des Berges Nadelgestrüp war, das einen notfalls auffangen konnte. Wir zippten unsere Hosenbeine los, da es in der Sonne langsam warm wurde und wir uns so auf den ersten Anstieg vorbereiteten.
Das bevorstehende Schlauchkar war laut unseres wahnsinnigen Informanten das unangenehmste Stück, da es schlaucht - wie der Name schon sagt. Es war ein langsam aber stetig ansteigendes Geröllfeld, durch das die gleich Markierungen zwei Wege auswiesen, die nach ca. hundert Metern wieder zusammentrafen - einmal ein Weg der zuerst in der Waagrechten nach links und dann geradeaus richtung Berg führte - und ein Weg der diagonal auf den ersten Weg führte. Langsam aber sicher kamen wir so richtig schön ins Schwitzen und wir wurden von einigen Leuten mit mehr Kondition überholt. Wir waren schon gespannt wo der Pfad weiterführen sollte, da man nur erkennen konnte, dass der Berg weiter ansteigt, aber nicht wo der Weg verläuft.
Am Ende des Schlauchkar ging es dann so richtig an das Eingemachte.
Wir befanden uns plötzlich inmitten eines riesigen steilen und groben Geröllfelds, das so richtig zu schwimmen schien. Beim Hinaufsteigen des Feldes lösten sich ständig Steine und kullerten nach unten . Wir waren froh, dass wir das Schlusslicht waren und dass wir niemanden unmittelbar über uns hatten, der die Brocken, die teilweise einen Durchmesser von zehn bis 30 cm hatten lostreten konnte. Das üble war, dass man sich ständig die Knie aufschürfte, und dass man als ungeübter Berggänger trotz high tech Wanderstecker oft auf allen vieren krabbeln musste, um nicht mit der Geröllmasse wieder nach unten zu schwimmen. In diesem Stück wurde es immer schwieriger die Wegmarkierungen zu finden und die Panik, dass man mit dem ganzen Berg hinabrutschen könnte wurde immer größer. Ich fand einen großen Felsen, auf dem ich sicher war und ich mich schön langsam beruhigen konnte, während meine Freundin, die immer noch im groben Geröll schwamm sagte sie hätte Angst und wolle nicht mehr weitergehen. Da Ihr Handy im Karwendelgebirge nicht funktionierte, konnte ihr Wunsch nach einem Rettungshubschrauber auch nicht wahr werden...
Ich fand von meinem großen Aussichtsfelsen einen einigermaßen sicheren Weg, den meine Freundin durch die Gesteinsbrocken nehmen konnte. Im selben Moment lösten sich riesige Gesteinsbrocken und polterten mit großer Geschwindigkeit in die Richtung des ersten steilen Teils des Geröllfeldes, auf dem wir gekommen waren hinunter. In diesem Moment
verspürte ich so richtig die Urgewalt des Gesteinsmassives und meine eigene Hilflosigkeit. Ich wußte nun, dass der Rückweg mindestens so gefährlich ist wie das steile und ungesicherte Schneefeld, das noch vor uns lag. Eine Situation, die man sich so richtig wünscht...
Die Hallerangeralm - die Belohnung für unsere Strapazen
Eine traumhaft schöne Kapelle an der Hallerangeralm Das nächste Stück Todesangst stand uns also noch bevor als meine Freundin "meinen"  sicheren Aussichtstein erreichte.
Wir mußten in die Fußstapfen der Bergwanderer steigen, die bereits vor uns das Schneefeld überquert hatten und konnten uns dabei nicht einmal mit den Stecker nach unten abstützen, da der Hang zu steil abfiel, um einen sicheren Halt zu bekommen. Die verschiedenen Methoden, nicht am Ende des Schneefeldes gegen Felsbrocken zu rauschen, falls man doch ausrutscht oder eine Fußspur aufgrund der Schneeschmelze nachgibt konnten uns auch nicht zuversichtlicher machen.
Der Herr, der im Biwak nächtigen mußte sagte uns man solle versuchen die Kontrolle mit Hilfe der Stöcke und der Füße zu bekommen und auf dem Allerwertesten beim Bremsen zu steuern, während ein anderer Wanderer sagte man solle versuchen auf den Bauch zu kommen, die Stöcke vergessen und sich mit  Händen und Füßen in den Schnee zu krallen und dabei Bewegungen wie bei Liegestützen zu machen. Das einzige was die beiden Notbremsvarianten für Schneefelder gemeinsam hatten war die Aussage man dürfe nicht die Kontrolle verlieren und müsse versuchen nicht ungebremst auf dem Rucksack
hinunterzurauschen.
Am Grad der Birkkarspitze angelangt, hatten wir natürlich nicht mehr das Bedürfnis unser Schicksal erneut herauszufordern und den mit Stahlseilen gesicherten Gipfel, bei dem nur noch ca. 50 Höhenmeter zu überwinden gewesen wären, zu besteigen. Stattdessen fragten wir die Bergwanderer, die sich noch das Gipfelkreuz gaben, ob es möglich wäre auf der anderen Seite ohne Einsatz eines Hubschraubers hinunterzukommen. Daraufhin nahm uns ein Paar aus Essen bei der Hand und zeigte uns den Weg nach unten. Für einen Baiern wie mich schon etwas peinlich...
Abgesehen davon, dass wir vielleicht einen anderen älteren Weg, als den mit Stahlseilen
gesicherten, genommen hätten, der mit den gleichen roten Punkten ausgeschildert war, konnte man den Abstieg sehr einfach bewältigen und lediglich unser Helfer fiel etwas auf die Nase.
Diese Seite war im Gegensatz zur anderen Seite sehr human. Die Sicherung wäre eher auf der anderen Seite nötig gewesen als auf dieser. Nach ca. 50 Metern betraten wir ein feines Geröllfeld in dem es sich hervoragend hinunterlaufen lies. Ohne unsere Helfer hätten wir vermutlich nicht gewußt wie lustig es ist ein Geröllfeld halb zu laufen und halb zu rutschen. Auf dem Weg nach unten habe ich mich natürlich auch einmal auf meinen Allerwertestesten gesetzt, was aber O.K. war, da das Geröll hier fast so fein wie Sand war bzw. ist. Unsere "Helferlein" verließen uns schließlich, da der weitere Weg nicht mehr so schlimm war und wir im vergleich mit ihnen ziemlich langsam vorankamen. Man mußte nur noch über einen Bach krabbeln und sah schon von Weitem ein riesiges Schneefeld in einer Mulde. Dabei vergaßen wir ganz, dass plötzlich der Bach verschwunden war, den wir zuvor noch überquert hatten. Nach einigen hundert Metern kam eine Stelle, an der der Weg ganz am Rande verlief und meine Freundin ging zu den Markierungen. Als sie dort ankam sagte sie zu mir ich solle das Feld sofort velassen, da sich unter dem Schnee ein Gebirgsbach befände. Zum Glück taute es nicht zu sehr und so konnte auch ich mit meinem Bierbauch das sichere Ende des Feldes erreichen ohne schwimmen zu müssen. Beim Blick in die Schneehöhle, in der der Birkkarbach tobte wurde es mir wieder etwas anders, da man sich in München keinen solchen Unwägsamkeiten aussetzen muß...
Das steckt unter dem Schneefeld...
Die Punkte in der Mitte sind Gemsen Nun ging ein angenehmer Weg der von reichlicher Vegetation gesäumt war gemütlich hinunter, und als wir den Auslauf des Tals sahen, dachten schon wir wären am Ende unserer (Tor)Tour. Inzwischen taten uns die Füße weh und ich wollte nur noch eine Dusche, eine halbe Sau und ein Fassl Bier, als wir das schreckliche Wegschild sahen, auf dem stand, dass die beiden Hütten Hallerangerhaus und Hallerangeralm noch ca. zwei Stunden entfernt waren. Wir brauchten natürlich dank unserer guten Verfassung (röchel) für die letzten paar Meter fast drei Stunden, da wir nach dieser Tortur zu nichts mehr fähig waren. Dummerweise gab es zum Endespurt noch einen Anstieg und ein herrliches Gewitter.
Da schöne war jedoch als die Schmerzen nachliesen, und wir auf der Hallerangeralm etwas leckeres zum Essen und zum Trinken bekamen. Im Gegensatz zu den Alpenvereinshütten gab es auf dieser Alm ein richtig familiäres Ambiente. Der Wirt sah, dass wir ziemlich am Ende waren und sagte wir sollten uns um nichts Sorgen machen (wie z.B. ein Abendessen...), und es würde alles passen.
Genau so war es auch. Hier gibt es humane Preise und einen sympatischen Wirt, der einem kaputten Wanderer auch mal einen Schnaps ausgibt. Unseren Tischnachbarn wurden auch so seltsame Wünsche wie Kaiserschmarrn zum Frühstück erfüllt.

Am nächsten Tag gings dann über den Wilde-Bande-Steig zur Pfeishütte.

Die Pfeishütte, eine weitere Hütte des Deutschen Alpenvereins

Möslalm

Chaos richtung Gleirschhöhe/Nederweg
 
 


 ALWAYS UNDER CONSTRUCTION...